Nach einem langen, sehr kalten Flug kamen wir Mittwochnachmittag in Madrid-Barajas an.
Meine Ängste bestätigten sich, als die Nachfrage beim Cargo-Unternehmen ergab, dass unsere Motorräder nicht gemeldet waren. Mist, die KTM’s standen noch – die halbe Welt von uns entfernt – in Buenos Aires :-O
Unser Agent reagierte jedoch sofort auf unsere Nachfrage. Die Motorräder würden wesentlich schneller reisen als wir selber und Donnerstagmorgen ebenfalls in Madrid landen. Beruhigt sanken wir am frühen Abend ins Bett und schliefen den Schlaf der Gerechten.
Die Trackingnummer zeigte noch keine Landung unserer Motorräder in Madrid an, als wir bei der Cargo-Firma zur Büroöffnungszeit vor der Tür standen. Doch sie waren da! So begannen wir damit sie aus dem Zoll auszulösen. Versicherungsnachweis musste erbracht werden und die Flughafengebühr bezahlt. Dann aus heiterem Himmel hiess es, wir müssten einen temporären Import unserer Motorräder in die EU machen. Huuuh???? Die Dame liess sich nicht erweichen. Die Schweiz wäre nicht teil der EU, daher der Import und die Motorräder müssten innerhalb von 30 Tagen aus der EU ausgeführt werden.
Mit einem Stapel Papieren beladen, fanden wir das Zolllager in dem unsere Motorräder stehen sollten. Von da an ging es schnell. Papier aus der Hand gegeben, tauchte aus der Tiefe des Gebäudes ein Gabelstapler auf.

Die Wiedersehensfreude war gross, als die KTMs eine nach der anderen neben dem Getränkeautomaten abgestellt wurden.

Auspacken, raus schieben, Batterien anschliessen und Reifen wieder aufblasen – ging alles wie geschmiert. Doch der Stapel Zellophan und die beiden Paletten blieben. Die Herren vom Zolllager waren so nett sich um die Entsorgung zu kümmern.
Ein kurzer Stopp am Hotel, wo wir das restliche Gepäck aufluden, dann ging es los. 1‘420 km auf Landstrasse trennten uns von unserem Ziel. Auf der Karte präsentierte sich unsere Route fast wie eine Vogelfluglinie. Dem war natürlich nicht so 🙂 Und obwohl wir Spanien lieben, die Strecke landschaftlich absolut attraktiv war, zog es uns doch stetig nach Nordosten. Sonntag – hatten wir versprochen. Sonntag würden wir da sein.
Durch die karke, spanische Hochebene, die Meseta Central, wand sich unsere Strasse unter einem Wolken verhangenen Himmel dahin. Von uns unbemerkt ging die Meseta ins Sistema Ibérico, das Iberische Gebirge, über. Dort, am Oberlauf des Duero, liegt die kleine Stadt Soria. Sie bot sich als Übernachtungsstelle an.

Am nächsten Morgen ging es früh weiter. Der Wetterbericht für die nächsten Tage wurde zunehmend schlechter. Runter in die Ebro-Tiefebene, südlich um Pamplona rum, fuhren wir auf dem Jakobsweg für Autofahrer durch die Pyrenäen in den Pilgerort Saint-Jean-Pied-de-Port. Durch Ortschaften aus dem Mittelalter,

vorbei an Schlössern und Kirchen,

stiessen wir in die Dordogne, genauer Périgord, vor. Entlang an baumgesäumten Flussauen, über historische Brücken drangen wir in eines der kulinarischen, kulturellen Herzen Frankreichs ein. Zusammen mit Campern und Touristen beendeten wir unseren Tag im hübschen Städtchen Siorac-en-Périgord in einem kleinen Hotel direkt am Ufer der Dordogne. Nach einem Spaziergang durch den Ort genossen wir im Garten unseres Hotels die Abendstimmung über dem Fluss.

Tja, und dann kam’s. Irgendwo zwischen der Limousin und der Auvergne fing es zu regnen an. Erst dachten wir, es wäre nur ein Schauer. Doch auf den ersten folgte ein zweiter, und so weiter und so fort. Bald war mir kalt. Meine Schultern und Arme fühlten sich feucht an, genau wie mein Hintern. Eine Pause bewies, dass unsere Gore-Tex-Schutzkleidung nicht mehr dicht war. Toll! Es sollte ja nur heute und morgen regnen :-S
Lapalisse, noch 358 km von unserem Ziel entfernt, im Departement Rhône-Alpes war unsere letzte Rast.

Noch eine historische Stadt, mit noch einem Schloss,

noch einer Kirche,

einem weiteren Fluss und zum Glück auch einem Restaurant.

Der Countdown lief. Mit jedem Kilometer, jeder Kurve wurde die Landschaft vertrauter – brachte uns unserem Ziel näher. Sonntag, 12. Mai 2019, sollten wir versuchen am winzigen Grenzübergang bei Les Verrières im Jura unser Zolldokument für die Motorräder abstempeln zu lassen. Schengen hat dafür gesorgt, dass das unmöglich ist 😀
Runter nach Neuenburg aktivierten wir die Gegensprechanlage.
„Du, sag mal, wie fühlst du dich?“ „Als ob wir vor drei Wochen losgefahren wären, nicht vor drei Jahren. Und du?“ „Geht mir genau so.“
Unglaublich, 44 km von der Heimat entfernt, schien es als ob wir nie weg gewesen wären. 1‘109 Tage, 133‘830 km auf vier Kontinenten verpufften im Gefühl von… Ja, von was den eigentlich? Heimat?
Keine Ahnung, aber bald zeichnete sich der Kirchturm von Wünnewil am Himmel ab. Wir setzten den Blicker, bogen in den Akazienweg ein. Dort war es, unser Ziel!

Meine Eltern, die nicht einmal hörten, dass wir in den Unterstand fuhren :-O
Mein Bruder, meine Schwägerin, unsere Nichte und unser Neffe, die am späten Nachmittag auch noch kamen.